Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Ägypten (Geistige Kultur)'
Religionsverhältnisse. Seit den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bekennen sich die
Kopten zum Christentum; sie haben dem Mohammedanismus fest widerstanden und sich jedem fremden Einfluß fern gehalten. Auch für
die Missionsbestrebungen sind sie nur schwer zugänglich; doch hat sich z.B. in Khoos bei Kenneh die ganze dortige Koptengemeinde
mit ihrem Priester für das evang. Christentum erklärt. In Siut hat die amerik. Mission seit 1865 ein Predigerseminar mit 15 Zöglingen. Von
den alten christl. Klöstern, die seit dem 5., ja 4. Jahrh. bestehen sollen, sind außer den Klöstern an den Natronseen nur noch das des
heil. Antonius, das des heil. Johannes und das des heil. Paulus zwischen Nil und Rotem Meere vorhanden. Die
Kopten (s. d.) haben 12 Bischöfe, die aus der Klostergeistlichkeit genommen werden, außerdem als Weltgeistliche
Erzpriester, Priester und Diakonen, denen zu heiraten erlaubt ist. Auch der an der Spitze der abessin. Kirche stehende Abuna-Salâmah,
d. i. Vater des Friedens, zu Gondar wird von dem Patriarchen der kopt. Kirche ernannt und geweiht. Im Patriarchatsgebäude zu Kairo und
im Kloster St. Saba zu Alexandria befinden sich reichhaltige kopt. Bibliotheken. Aus der ältesten christl. Zeit (585) ist nur noch die der
Maria geweihte kopt. Kirche in Altkairo vorhanden. Nahe bei ihr steht auch die älteste Moschee Ä.s, die Amrumoschee, aus der ersten
Hälfte des 7. Jahrh. Armenische Gemeinden giebt es in Alexandria und Kairo mit 1627 Mitgliedern; ihr Bischof wohnt in Kairo; außerdem
etwa 60000 Anhänger der griech. Kirche. Auch Maroniten finden sich, die aber, gleich ihrer Stammkirche im Libanon, den Papst als ihr
Oberhaupt anerkennen. Röm. Katholiken zählt man in fast allen größern Orten, im ganzen 57389; in Kairo und Alexandria besitzen sie je
zwei Kirchen, in Alexandria die Kathedralkirche zu St. Katharina und die der Lazaristen, in Kairo die der Schwestern vom Guten Hirten
und eine größere Gemeindekirche; außerdem Kapellen in Ramleh, Altkairo, Ismailia, Sues u.s.w. Alexandria ist Sitz eines apostolischen
Delegaten des Heiligen Stuhls für die lat. Christen in Ä. und Arabien, der den Titel eines Erzbischofs von Irenopolis
in partibus infidelium führt. Alexandria besitzt eine anglikanische und eine seit 1866 auch eine
deutsche prot. Kirche, die in ganz Ä. 4536 Anhänger zählt. In Kairo befinden sich je eine deutsche und eine engl.-evang. Kirche. Seit
1858 besteht auch ein allen Konfessionen geöffnetes Diakonissenhospital in Alexandria, seit 1880 ein solches auch in Kairo.
Geschichte. A. Geschichte und Kultur des alten Ägyptens.
I. Abstammung und Sprache des Volks. Das Volk, das seit
den ältesten histor. Zeiten Ä. bewohnte, betrachtete sich als ureingesessen und nannte sich, im Gegensatz zu den umwohnenden
Barbaren, kurzweg rômet, «Menschen». Über seine ethnogr. Zugehörigkeit sind die Meinungen
geteilt. Die Ethnographen rechnen die Ägypter auf Grund ihres Körperbaues zu den Negern und meinen, daß ein allmählicher Übergang
vom Ägypter zum Sudanneger sich nachweisen lasse. Die Philologen hingegen nehmen auf Grund der Sprachverwandtschaft an, daß
eine Trennung der Ägypter von den Semiten unmöglich sei und daß die Ägypter ebenso wie die ihnen sprachlich verwandten
Berberstämme und gewisse Völker Nordostafrikas (Bischarin, Galla, Somal) in vorhistor. Zeiten aus Asien nach Afrika in ihre jetzige Heimat
eingewandert ↔ seien. Vorausgesetzt, daß die Ethnologen mit ihrer Behauptung recht haben, liegen die Verhältnisse
für Ä. vielleicht so, daß das Land in vorhistor. Zeit eine reine Negerbevölkerung mit eigener Sprache gehabt hat. Ein semit. Stamm ist
dann nach Ä. eingedrungen, hat sich das Land unterjocht und der unterworfenen Bevölkerung seine Sprache aufgedrängt. In der Bibel
(1 Mos. 10) wird Ä. (Misraim) als Sohn Hams neben Kusch, Put und Kanaan angeführt, und infolgedessen hat man sich vielfach daran
gewöhnt, die Ägypter zu den «Hamiten» zu zählen. Auf den Denkmälern werden die Ägypter streng von ihren Nachbarn, den im Süden
wohnenden Negern, den westl. Libyern und den östl. Asiaten geschieden. Der größtenteils unbekleidete männliche Körper ist kräftig,
hoch und ebenmäßig gewachsen; jedoch sind die Beine eher dünn zu nennen; die Füße sind groß. Die Hautfarbe der Männer ist auf den
Denkmälern regelmäßig rotbraun, die der Frauen hellbraun oder gelb. Es kommt dies daher, daß die Männer meist bis auf einen
Lendenschurz nackt gingen und bei ihrer Thätigkeit im Freien mehr dem Sonnenbrande ausgesetzt waren als die Frauen.
Die Sprache der alten Ägypter steht in einem verwandtschaftlichen Verhältnisse zu den semit.
Sprachen Vorderasiens und zu einer Gruppe von Sprachen Ost- und Nordafrikas, zu denen die Sprachen der Bischarin, Galla, Somal
sowie die libyschen (berberischen) Dialekte gehören. Man faßt alle diese Sprachen unter dem Namen des
ägypto-semitischen Sprachstammes (nach den beiden wichtigsten Sprachgruppen) zusammen.
Die ägypt. Sprache, deren Schriftdenkmäler bis in den Anfang des 3. vorchristl. Jahrtausends zurückreichen, erhielt sich unter dem
Namen der koptischen auch in der christl. Zeit, obgleich während der Ptolemäerherrschaft und schon früher die griech. Sprache neben
der einheimischen aufgekommen und namentlich in Alexandria und Memphis zu großer Verbreitung gelangt war. Mit der arab. Eroberung
des Landes und dem Einströmen arab. Einwanderer erhielt die arab. Sprache immer allgemeinere Geltung und ist jetzt die herrschende;
doch erhielt sich die kopt. Sprache bis ins 11. Jahrh. fast im ganzen Lande, dauerte in Oberägypten noch bis ins 15. Jahrh., um erst im
17. ganz zu erlöschen.
II. Alte Geschichte. 1) Allgemeines. Jede Betrachtung der ägypt. Civilisation gewinnt ihr höchstes
Interesse durch den Umstand, daß sie in Zeiten zurückführt, die man früher jenseit aller geschichtlichen Ereignisse gelegen glaubte. Die
Feststellung dieser zeitlichen Verhältnisse wird daher mit Recht für eins der wichtigsten Probleme der neuern Wissenschaft überhaupt
gehalten. Zur Erhaltung der ägypt. Geschichtsdenkmäler trug hauptsächlich das eigentümlich konservierende Klima des Landes bei, das
namentlich in den jeder Feuchtigkeit unzugänglichen Gräbern der Wüste alle Stoffe, vegetabilische und animalische, für Jahrtausende
erhielt und auch die oberirdischen Gebäude mit ihren Darstellungen nicht selten sogar in ihrem ursprünglichen Farbenschmucke
unversehrt bewahrte.
2) Chronologie. Ebensowenig wie irgend ein anderes Volk des Altertums besaßen die Ägypter eine
bestimmte Zeitrechnung. Die Ära des Hyksoskönigs Nubti, die man bis vor kurzem für eine solche hielt, hat sich durch die neuern
Forschungen als ein Irrtum herausgestellt. Die Ägypter datierten
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 237.